Die Impfquote ist in ganz Spanien im Vergleich zu anderen Ländern sehr hoch: vollständig geimpft sind 79,8%, mindestens 1 Dosis haben 80,9%. (Quelle https://ourworldindata.org/covid-vaccinations, Stand 29.10.21). Nur Portugal ist als europäisches Land weiter oben angesiedelt. 

 

Das erstaunt angesichts der Tatsache, dass das spanische Gesundheitssystem am Anfang der Pandemie besonders zu kämpfen hatte, war Spanien doch neben Italien besonders hart getroffen. Praktisch jeder Spanier hat jemanden in seinem Umfeld, der an Covid-19 gestorben ist oder schwer erkrankt ist.  

Wir erinnern uns alle an die Bilder von überfüllten Intensivstationen und auch an einen ganz strikten Lockdown: absolute Ausgangssperre, das Verlassen des Hauses war nur zum Arbeiten und Einkaufen gestattet. Gerade für die geselligen Spanier besonders einschneidend. Kritik oder gar Demonstrationen aber waren Fehlanzeige. 

Was sind die Gründe dafür? 

Vertrauen in das Gesundheitssystem 

Das Gesundheitssystem in Spanien hat einen guten Ruf. Es ist relativ jung, in den 80er-Jahren erst nach der Franco-Ära aufgebaut. Es steht allen Bürgern gleichermaßen zur Verfügung ohne zwischengeschaltete Versicherungen.[1] Fragen Sie Spanier nach ihrer Gesundheitsversorgung, ist die Mehrheit völlig zufrieden. 

Hohe Impfbereitschaft durch „Trauma“ in der Ära Franco

Gerade Impfungen sind für Spanier:innen ein emotionales Thema, erinnern sich noch viele an die Franco-Diktatur, als nicht oder sehr spät gegen Polio geimpft wurde[2] und schwere Behinderungen und Todesfälle zur Folge hatte.  Vor kurzem hat die Regierung Menschen, die damals an Polio erkrankten, als Opfer des Regimes anerkannt.

So gibt es in Spanien ganz wenige Impfskeptiker: spanische Kinderärzt:innen berichten, dass so gut wie keine Eltern die Standard-Kinderschutzimpfungen infrage stellen.[3]

Das Vertrauen der Spanier in Impfstoffe im Allgemeinen hat auch das Vertrauen in die Covid-19-Impfung gestärkt. Nach einer im Juni veröffentlichten Studie des Imperial College London vertrauen 79 % der Spanier den neuen Impfstoffen, gegenüber 62 % in den USA und 56 % in Frankreich.[4]

Die Vergabe von Impfterminen ist zentral geregelt und läuft mit ein bis zwei Tagen Vorlauf per SMS oder Anruf. Keine:r musste sich selbständig um eine Impfung bemühen und auch eine Diskussion um die Reihenfolge blieb aus, da Gleichaltrige ungefähr zeitgleich einen Impftermin bekamen. 

Familienzusammenhalt sorgt für Impfbereitschaft 

Ein anderer Grund für die hohe Impfquote ist sicherlich der starke Familienzusammenhalt. Einerseits durch den arabischen Einfluss, andererseits wiederum durch die Francozeit ist die um enge Freunde und entferntere Familie wie Cousins etc. erweiterte Kernfamilie Dreh- und Angelpunkt des spanischen Lebens. Beispiel hierfür ist das allsonntägliche Familienessen, das auf keinen Fall ausgelassen werden darf. Hierbei treffen sich alle Generationen zum gemeinsamen Essen. Auch sind viele Spanier:innen nicht bereit, für einen Job in eine andere Stadt, weg von ihrer Familie zu ziehen. Überhaupt bleibt man als Unverheiratete:r zuhause wohnen. Ich erinnere mich noch gut daran, dass es eine große Ausnahme war, dass meine spanische Mitbewohnerin, obwohl unverheiratet, zu Hause aus- und mit mir eine Wohngemeinschaft ziehen durfte. Das Bewusstsein, mit einer Impfung gerade ältere Familienmitglieder zu schützen, hat die Impfentscheidung sicherlich erleichtert. Wie sagte eine spanische Bekannte zu mir: „Me pondría la vacuna del coronavirus si con eso ayudo a proteger a mis mayores. (Ich würde mir eine Impfung gegen das Coronavirus nehmen, wenn das hilft, meine Älteren zu schützen)“ 

Wie man sieht, sind historische und auch kulturelle Gründe wie Familienorientierung Grund für die hohe Impfquote. 

Haben Sie noch mehr Ideen, was der Grund sein könnte für die hohe Impfbereitschaft in Spanien? Gerade im Vergleich zu anderen europäischen Ländern? 

Melden Sie sich gerne! Ich freue mich über Ihre Anregungen! 


[1] Daniel López-Acuña, ehemaliger WHO-Direktor für Krisenmanagement und derzeit außerordentlicher Professor an der Andalusischen Schule für öffentliche Gesundheit https://de.euronews.com/2021/09/06/kein-drohen-keine-versprechen-warum-spanien-trotzdem-so-erfolgreich-impft

[2]  Josep Lobera, Soziologieprofessor an der Autonomen Universität Madridhttps://de.euronews.com/2021/09/06/kein-drohen-keine-versprechen-warum-spanien-trotzdem-so-erfolgreich-impft

[3]  Josep Lobera, Soziologieprofessor an der Autonomen Universität Madridhttps://de.euronews.com/2021/09/06/kein-drohen-keine-versprechen-warum-spanien-trotzdem-so-erfolgreich-impft

[4] https://de.euronews.com/2021/09/06/kein-drohen-keine-versprechen-warum-spanien-trotzdem-so-erfolgreich-impft