Fast überall auf der Welt wird ein Abstand von 1,5 bis 2m zwischen Personen vorgeschrieben, um das Corona-Virus an seiner Ausbreitung zu hindern. Dabei fällt es manchen Menschen schwerer und anderen leichter, sich daran zu halten. Was sind die Gründe dafür? Und hat die Veränderung der normalen Abstandsregeln Auswirkungen auf den normalen Umgang miteinander?

Abstand ist kulturell bedingt 

Die sogenannte Proxemik, ein Begriff, der von Edward T. Hall in den 1960er Jahren geprägt wurde, geht davon aus, dass Abstand kulturell geprägt ist, vergleiche den Blogbeitrag (siehe https://www.braun-balzer.de/2017/01).

In Deutschland fühlen wir uns am wohlsten, wenn wir zum Gegenüber einen Abstand von etwa einer Armlänge (50-80cm) einhalten. In anderen Ländern wie zum Beispiel Spanien hält man sich nur so weit voneinander entfernt, dass man noch den Ellbogen seines Gesprächspartners anfassen könnte. Auch die Begrüßung mit Küsschen oder Handschlag sind kulturell bedingt und zeigen unterschiedliche Arten, Nähe zuzulassen.

Was passiert in der Corona-Krise? 

Zu Zeiten von Corona wird das Abstandsgebot auf den Kopf gestellt. Überall auf der Welt gilt die Vorgabe, 1,5 bis 2m Abstand zu halten. 

Wie ist das jetzt aber bei Menschen, die kulturell bedingt viel Nähe zulassen? Die Umstellung auf einen weiteren Abstand ist für diese Menschen sicherlich schwerer umzusetzen als für Menschen aus Deutschland zum Beispiel, die schon von sich aus weiteren Abstand lassen. 

Für die einen ist Abstand Halten also schwieriger als für andere. Überhaupt ist körperliche Nähe für das körperliche Wohlbefinden essentiell. Für manche Menschen ist ihr Fehlen ganz unabhängig von kulturellen Vorgaben sehr schlimm. Aus diesem Grund gibt es auch „Nähe-Coachs“ oder  „Profikuschler“, die das Defizit versuchen auszugleichen (siehe   https://www.spiegel.de/psychologie/corona-lockdown-darum-sehnen-wir-uns-nach-beruehrung-a-00000000-0002-0001-0000-000170323264 ).

Hygienische Vorschriften zur Bekämpfung von Krankheiten gab es auch schon früher 

Schon in der Vergangenheit sind hygienische Vorschriften zur Bekämpfung von Krankheiten eingesetzt worden (siehe https://www.stimme.de/themen/gesundheit/Pest-Cholera-und-jetzt-Corona-Was-die-Menschen-aus-frueheren-Seuchen-gelernt-haben;art74650,4336300). 

Um Tuberkulose einzudämmen, wurde bis Mitte des 20.Jahrhunderts den Menschen verboten, wie es damals üblich war, auf den Boden zu spucken. Überall wurden Spucknäpfe deswegen angebracht. Anhusten einer Person wurde auch nicht mehr gut geheissen. Heute gehört es weder zur gesellschaftlichen Konvention jemanden anzuhusten noch auf den Boden zu spucken. Die kulturelle Verhaltensweise wurde aus gesundheitlichen Aspekten verändert.

Verändert sich die kulturelle Praxis? 

Kultur ist etwas, das sich – wenn auch langsam – ständig verändert. 

Als Bild wird hier oft ein Sandberg zitiert, dessen obere Teile sich durch Stürme etc. langsam wandeln (siehe Bolten: https://de.wikipedia.org/wiki/Jürgen_Bolten). Auf lange Sicht wirkt sich dies auch auf das Fundament, die Rituale und sozialen Konventionen, aus. Dazu gehört auch das Abstand Halten. 

Interessant wird es jetzt zu sehen, ob sich der Abstand nach Corona wieder auf das für die jeweilige Kultur normale Maß zurückpendelt oder ob man sich weiterhin daran hält und wie bei der Bekämpfung der Tuberkulose das Verhalten ändert. 

Was meinen Sie, wird sich das Corona-Abstandsgebot von 1,5 bis 2m halten und zur neuen kulturellen Konvention werden? Oder wird es wieder in die Zeit vor Corona zurückgedreht? 

Schreiben Sie mir Ihre Meinung dazu! Ich bin gespannt darauf!